Warum Fortbildungen für Pflegefamilien essenziell sind

Fortbildungen für Pflegefamilien

Von Pamela Premm

Fortbildungen sind essenziell für Pflegefamilien. Sie helfen dabei, Krisen zu meistern und die Bindung zwischen Pflegekindern und -eltern zu stärken. Familie Lindenfeld* aus Mittelhessen kann dies nur bestätigen. Seit mehr als 30 Jahren bietet sie Kindern mit geistigen und körperlichen Einschränkungen ein geborgenes Zuhause. Fortbildungen waren dabei immer eine wichtige Stütze. 

Die Berufung gefunden

Wenn Sabine Lindenfeld von ihren Pflegekindern erzählt, hört man an ihrer Stimme, dass sie ihre Berufung gefunden hat. Sie lebt mit ihrer Familie, den Eltern und der Familie der Tochter mit ebenfalls zwei Pflegekindern in einem quirligen Mehrgenerationenhaus. „Wir verstehen es als unseren Auftrag, Kindern ein geborgenes Leben zu schenken“, sagt die sympathische Pflegemutter. „Wir können uns nichts anderes mehr vorstellen.“ Nicht ohne Grund leben drei der schon erwachsenen Pflegekinder immer noch in der Familie. Sie haben dort ihr Zuhause gefunden. Die Pflegeeltern sind wiederum froh und dankbar, dass sie in all den Jahren auf qualifizierte Unterstützung zurückgreifen konnten.

„Fortbildungen sind für Pflegefamilien wahnsinnig wichtig“, bekräftigt die 55-Jährige. Und dafür nennt sie unterschiedliche Gründe. „Man bekommt frischen Input. Der Blick von außen auf bestimmte Problematiken hilft, die Dinge klarer zu sehen. Der Austausch mit anderen Familien ist wohltuend. Dort sitzen Pflegeeltern mit genau den gleichen Problemen. So fühlt man sich weniger allein. Zudem hat man einen kompetenten Ansprechpartner an seiner Seite. Auf diese Weise lassen sich Situationen besser analysieren und einschätzen.“

Fortbildungsangebote helfen durch Krisen

Die obligatorischen Grundmodule bereiten auf das Zusammenleben mit Pflegekindern vor, die meist ein ganzes Päckchen an Nöten und traumatischen Erfahrungen mitbringen. In diesen Seminaren werden vor allem grundlegende Themen wie Bindungstheorien oder der Umgang mit Krisen erörtert. „Am Anfang hatte ich meine Vorbehalte: noch ein zusätzlicher Termin in der Woche, den ich wahrnehmen sollte. Bei all dem Trubel, den wir sowieso schon hatten. Aber sehr schnell wurde mir klar, wie hilfreich diese Angebote sind. Und wie dankbar ich sein durfte, dass es sie gibt“, sagt Lindenfeld heute.

Fortbildungen helfen besser zu verstehen, warum Pflegekinder so handeln, wie sie handeln. Sie bieten ein geeignetes Umfeld, um Fragen zu stellen, die von qualifizierten Pädagogen und Referenten beantwortet werden. Die Pflegefamilien-Akademie des St. Elisabeth-Vereins weiß um dessen Bedeutung für Pflegefamilien und hat einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zusammengestellt. Im Fokus steht das Leben mit Pflegekindern – Traumapädagogik, Selbstfürsorge, Angebote für Geschwisterkinder, die in der besonderen Konstellation spezielle Unterstützung brauchen. Aus diesem Katalog kann sich jede Familie die Themen aussuchen, die für sie wichtig sind.

Pflegekinder meinen es nicht böse

Für Familie Lindenfeld waren es vor allem Seminare zum Thema „Fetales Alkohol-Syndrom“. Drei der vier Pflegekinder leiden unter FASD (Fetal Alcohol Spectrum Disorders), sind entwicklungsverzögert, teilweise mehrfachbehindert, geistig und körperlich eingeschränkt und lebenslang auf Hilfe angewiesen. „In den Fortbildungen haben wir gelernt, dass die Kinder es nie persönlich meinen, wenn sie unerwünschte Verhaltensweisen an den Tag legen“, berichtet die gelernte Krankenschwester und nennt ein Beispiel. Demnach habe eines der Pflegekinder häufiger gestohlen. Für Sabine Lindenfeld bricht eine Welt zusammen. Sie sieht darin einen klaren Vertrauensbruch. Ist enttäuscht. In der Fortbildung lernt sie, dass dahinter kein böser Wille steckt. „Es geht den Pflegekindern nicht darum, den Eltern bewusst zu schaden. Sie wollen mit dieser Handlung etwas kompensieren, was ihnen jahrelang gefehlt hat. Als uns das bewusst wurde, konnten wir besser damit umgehen. Jetzt haben wir alles, was uns wichtig ist, in einem Schrank verstaut, auf den unsere Pflegekinder keinen Zugriff haben.“

Als Familie Lindenfeld das erste Pflegekind vor fast 35 Jahren aufgenommen hat, gab es diese Form der Unterstützung noch nicht. Zu dieser Zeit war das Jugendamt einzige Anlaufstelle. Individueller Beistand? Fehlanzeige. Viel zu oft waren die Mitarbeiter überlastet, allein aus zeitlichen Gründen war eine gezielte Hilfe nicht möglich.

Freundschaften statt Vorurteile

Doch in den Fortbildungen für Pflegefamilien geht es nicht nur um Austausch und Qualifikation der Eltern allein. Es geht auch um zwischenmenschliche Beziehungen. „In den letzten Jahren sind durch gemeinsame Fortbildungen enge Freundschaften entstanden. Freundschaften, die sich nicht erklären müssen. Andere Pflegefamilien können Dinge besser nachvollziehen, ohne Vorurteile.“ Dass diese in der Gesellschaft existieren, bekam auch Familie Lindenfeld zu spüren. „Einige Bekannte haben uns vorgeworfen, dass wir nur aus finanziellen Gründen Pflegekinder bei uns aufnehmen. Das hat uns sehr getroffen. Sie haben keine Ahnung davon, was es bedeutet, sich 24/7 um ein behindertes Kind zu kümmern.“

Vorurteile haben bei den Lindenfelds keinen Platz. Auch nicht im Umgang mit den Herkunftseltern. „Sie sind ok, wie sie sind. Man muss sie nehmen, wie sie sind. Wir machen ihnen keine Vorhaltungen und wollen sie nicht verändern. Das Kind zerreißt es sonst innerlich.“ Die Entscheidung, Pflegekinder aufzunehmen, hat die Familie bis heute nicht bereut. „Pflegefamilie sein heißt, in kleinen Schritten zu denken. Die Fortschritte der Kinder zu beobachten, ist Motivation pur.“ Dennoch sollte man sich ab und an auch eine Auszeit gönnen, verrät Lindenfeld. Regelmäßig kommt eine Betreuerin ins Haus. Dann ist für die Pflegeeltern Paar-Zeit angesagt. „Wir haben das Glück, dass wir sehr gut unterstützt werden. Wir wünschen uns für alle Familien, dass sie eine feste Bezugsperson haben, die in regelmäßigen Abständen nach den Kindern sieht. Feste Auszeiten sind unentbehrlich, um neue Kraft zu tanken und am nächsten Tag wieder voll und ganz für die Kinder da sein zu können.“

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Träger der Pflegefamilien Akademie sind der St. Elisabeth-Verein e.V. in Marburg mit dem Fachbereich Pflegefamilien Hessen.

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*Namen von der Redaktion geändert