Angst ist grundsätzlich normal. Angst wird allgemein als ein unangenehmes Gefühl der Bedrohung beschrieben und hat eine wichtige Alarmfunktion für den Organismus, indem sie Aktivitäten auslöst, die helfen, eine Gefahr abzuwehren. Von Angststörung spricht man bei einer übermäßigen Angst, die geistige und körperliche Funktionen lähmt.[1] Die Angst steht in keinem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung. Betroffene erleben die Angst dennoch psychisch und körperlich sehr intensiv und können sie nicht ausschalten oder kontrollieren.[2]
Angsterkrankungen
Fast jeder fünfte bis sechste Mensch in Deutschland erkrankt im Laufe seines Lebens an einer Angsterkrankung. Hierbei kann es passieren, dass Kinder die Angst ihrer Eltern übernehmen. Kinder von Eltern mit Angsterkrankungen haben ein erhöhtes Risiko, selbst Ängste oder andere Störungen zu entwickeln. So birgt eine elterliche Panikstörung z.B. die erhöhte Gefahr der Agoraphobie (Angst vor Menschenmengen oder öffentlichen Plätzen). Eine enge Verbindung besteht zudem zwischen mütterlicher Angst vor der Geburt und späteren Verhaltensauffälligkeiten, Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit, insbesondere bei Jungen. Insgesamt wirkt Angst ansteckend. In Familien mit angsterkrankten Elternteilen kann es passieren, dass sich die Familie eine sanatoriumsartige Schonwelt erschafft, in der sie bemüht ist, sämtliche angstauslösenden Reize auszuklammern.[3]
Phobien, Panikstörungen und generalisierte Angststörung
Angststörungen werden unterschieden in Phobien, Panikstörungen und generalisierte Angststörungen und gehen mit körperlichen und seelischen Symptomen einher. Während Angst normalerweise eine wichtige Warnfunktion hat und in Handlungsbereitschaft versetzt, bewirkt sie im pathologischen Sinne das Gegenteil. Die betroffenen Menschen werden handlungsunfähig und gehemmt oder neigen zu Wutanfällen und fremdverletzendem Verhalten.
Phobien sind kontextspezifische Ängste. Die Angst tritt also verbunden mit bestimmten Orten, Gegenständen oder Zusammenhängen auf. Panikstörungen und generalisierte Angststörungen hingegen bestehen kontextunabhängig. Die Betroffenen können ganz plötzlich, scheinbar ohne erkennbaren äußeren Auslöser, in Panik geraten oder Angst empfinden.[4]
Traumatisierte Kinder können oftmals nur eine geringe Impulssteuerung oder Affekttoleranz, also einen angemessenen Umgang mit den eigenen Gefühlen, entwickeln und es fehlt ihnen an innerer Sicherheit, sodass sie sich nur schwer selbst beruhigen und emotional stabilisieren können. Vielfältige innere und äußere Reize können heftige archaische Ängste auslösen. Dabei kann es sich zum Beispiel um Todes- und Verlustängste, Verlassenheitsängste, Dunkelangst, Angst vor Tieren oder Höhenängste handeln. Das ganze Beziehungsverhalten von Kindern kann durch diese Art von Ängsten bestimmt sein und sich dadurch zeigen, dass das Kind mit allen Mitteln versucht, Erwachsene an sich zu binden, zu kontrollieren oder durch ununterbrochenen Redefluss zu manipulieren. Sie wirken häufig orientierungslos und verwirrt, können ihre Gefühle nur schwer in Worte fassen. Ein solches Verhalten kann auch bei Trennungsängsten auftreten.[5]
[1] Wiegand-Grefe, Silke; Halverscheid, Susanne; Plass, Angela (2011): Kinder und ihre psychisch kranken Eltern. Familienorientierte Prävention – Der CHIMPs-Beratungsansatz. Göttingen: Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG. S. 60ff.
[2] Steckelberg, Anke (2020): Was ist eine Angststörung? URL: https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/angststoerung/hintergrund (zuletzt aufgerufen am: 14.11.2022).
[3] Wiegand-Grefe, Silke; Halverscheid, Susanne; Plass, Angela (2011): Kinder und ihre psychisch kranken Eltern. Familienorientierte Prävention – Der CHIMPs-Beratungsansatz. Göttingen: Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG. S. 60ff.
[4] Vgl. Koeslin, Jürgen; Streiber, Sonja (2015): Psychiatrie und Psychotherapie für Heilpraktiker. München: Urban & Fischer Verlag, S. 118.
[5] Vgl. Hopf, Hans (2009): Angst und Angststörungen. In: Hopf, Hans; Windaus, Eberhard (Hrsg.): Lehrbuch der Psychotherapie für die Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und für die ärztliche Weiterbildung. Band 5: Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. München: CIP Medien, S. 285.