Die dritte Phase der Integrationstheorie bezeichnet man als Regressionsphase. Der Begriff Regression bedeutet Zurückentwicklung und beschreibt in der Psychoanalyse das Zurückfallen in kindliche Verhaltensmuster. Pflegekinder möchten nun oft bei ihren Pflegeeltern auf dem Schoß sitzen und fangen dann manchmal an, in Babysprache zu sprechen. Abends wünschen sie sich eine Gute-Nacht-Geschichte oder fangen, auch wenn sie zum Beispiel nur leicht gestolpert sind, heftig an zu weinen und streckten die Arme nach aus, um sich trösten zu lassen. Diese frühkindlichen Verhaltensweisen sind sehr typisch. In der dritten Phase entwickelt sich eine neue Eltern-Kind-Beziehung. Das Kind kann nun Verhaltensweisen zeigen, die gar nicht zu seinem Alter zu passen scheinen, es kann hilfsbedürftig und klein wirken. Viele Kinder können erst jetzt richtig weinen und sich trösten lassen, Nähe genießen und ihre Gefühle zum Ausdruck bringen.[1]

In der Regressionsphase unterstützen

Pflegeeltern können die Regressionsphase unterstützen, indem sie Gefühle des Kindes spiegeln. Kinder lernen dadurch, auch negative Gefühle anzunehmen und zu regulieren. Konkret bedeutet das: Wenn ein Kind weint, sollte die Pflegeperson ebenfalls einen betrübten Gesichtsausdruck zeigen und gleichzeitig beruhigend mit dem Kind sprechen. Meist reagiert das Kind auf die Stimme oder die Worte und lässt sich dadurch beruhigen. Seine unangenehmen Gefühle werden erträglicher und die Spannung lässt nach. Wiederholt es diese Erfahrung mit der Pflegeperson lernt es, dass seine Gefühle aushaltbar sind und sie sich steuern lassen.[2]

Gefahr des Scheiterns in der Regressionsphase

Die Herausforderungen in der Regressionsphase können besonders dann gut gemeistert werden, wenn die Pflegeeltern verstehen, dass der Rückfall des Kindes in kleinkindhafte Verhaltensweisen der Beginn eines neuen Beziehungsaufbaus ist. Wenn Pflegeeltern hingegen abgeneigt reagieren und mit den scheinbaren Rückschritten nicht umgehen können, lassen sie sich nicht ausreichend auf das Kind und seine Bedürfnisse ein. Wenn sie daran festhalten, nur auf altersgemäßes Verhalten, Bedürfnisse oder Emotionen des Kindes reagieren, bleiben seine eigentlichen Bedürfnisse weiterhin unbefriedigt und werden unterdrückt.

Diese unterdrückten Bedürfnisse können zu Problemen führen, die mitunter ein Leben lang bestehen. So kann es z. B. aus dem Gefühl, nie genug zu bekommen, zu Essstörungen kommen oder es können sich Süchte entwickeln. Diese sind irgendwann so weit von dem ursprünglichen Bedürfnis entfernt, dass weder das Kind noch andere eine Verbindung herstellen und den Ursprung heilen können.[3]

 

[1] Vgl. Niestroj, Hildegard (o.J.): Hilfen im Umgang mit traumatisierten Kindern. URL: https://docplayer.org/33910142-Hilfen-im-umgang-mit-traumatisierten-kindern.html (zuletzt aufgerufen am 10.1.2023), S. 8.

[2] Vgl. Niestroj, Hildegard (o.J.): Hilfen im Umgang mit traumatisierten Kindern. URL: https://docplayer.org/33910142-Hilfen-im-umgang-mit-traumatisierten-kindern.html (zuletzt aufgerufen am 10.1.2023), S. 8ff.

[3] Vgl. Nienstedt, Monika; Westermann, Armin (2007): Pflegekinder und ihre Entwicklungschancen nach frühen traumatischen Erfahrungen. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 383.