Unter Einnässen, auch genannt Enuresis, versteht man die vollständige, unkontrollierte Blasenentleerung zur falschen Zeit und am falschen Ort, ohne dass es hierfür eine organische Ursache gibt. Man spricht von einer primären Enuresis, wenn das Kind noch nie länger als sechs Monate trocken war. Eine sekundäre Enuresis ist der Fall, wenn das Kind trocken war und dann wieder anfängt, einzunässen.[1] Beim Einnässen unterscheidet man darüber hinaus zwischen nachts- und tagnässenden Kindern. Grundsätzlich kann man erst ab einem Alter von 5 Jahren von einer Enuresis sprechen. Die Enuresis, also das Einnässen, gilt als eine der häufigsten Störungen im Kindesalter. Etwa 5-7% der siebenjährigen Kinder leiden darunter, die meisten von ihnen nässen nachts ein.

Von Einkoten spricht man, wenn Stuhl willkürlich oder unwillkürlich an nicht dafür vorgesehenen Stellen abgesetzt wird. Die Diagnose „Enkopresis“ kann ab einem Alter von 4 Jahren gestellt werden und betrifft 1-3% aller Schulkinder. Die Störung ist für viele Kinder belastend und führt häufig zu gestörten sozialen Beziehungen, da das Thema mit einer großen Scham verbunden sein kann.[2]

Einnässen und Einkoten verstehen

Wie kommt es dazu, dass Kinder einnässen oder einkoten? Ursache von Einkoten sind häufig schwierige familiäre und soziale Bedingungen. Bei der primären Enuresis handelt es sich oftmals um eine Reifungsverzögerung, die sich von alleine verwächst. Eine sekundäre Enuresis hängt häufig mit psychosozialen Belastungen zusammen.[3] Bei den nachtnässenden Kindern zeigen Untersuchungen, dass vor allem psychische Belastungen eine Rolle spielen. 82% der nassen Nächte geht ein Tag voraus, der psychisch belastend war. Bei den tagnässenden Kindern unterscheidet man zwischen Spieleifernässern und Konfliktnässern. Während erstere so sehr ins Spiel vertieft sind, dass sie den Druck der vollen Blase zu spät bemerken und deshalb einnässen, ziehen sich letztere nach einem Konflikt zurück und nässen ein. Wie aber ist der Zusammenhang zwischen psychischem Stress und Einnässen oder Einkoten zu erklären?

Die Wirkung von Stress und Angst

Wenn Kinder in Stress oder Angst geraten, wird das autonome Nervensystem aktiv. Der Sympathikus, der ein Teil des autonomen Nervensystems ist, sorgt dafür, dass Puls und Atmung schneller werden und Schweiß ausbricht. Der ganze Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt. Der Gegenspieler des Sympathikus ist der Parasympathikus und beide funktionieren in einem zyklischen Wechsel. Einnässen, Einkoten, Kreislaufkollaps und sich Übergeben sind typische Symptome des Parasympathikus. Wenn der Sympathikus maximal erregt war, kann es passieren, dass es zu einem sehr abrupten Wechsel zum Parasympathikus kommt. Man sagt dann auch, dass man sich „vor Angst in die Hose macht“.[4]

Kinder, die in Stresssituationen einnässen oder einkoten, haben in der Regel keine sichere Bindungserfahrung machen können und keine gute Koregulation durch Bindungspersonen erlebt. Darunter versteht man, dass Kinder durch die beruhigende Reaktion ihrer Bindungsperson lernen, sich selbst zu beruhigen. Haben sie dies nicht ausreichend gelernt, sind die Reaktionen ihres autonomen Nervensystems sehr sprunghaft und können nur schwer gesteuert werden.[5]

Umgang mit Einnässen und Einkoten

Kinder, die einnässen oder einkoten, benötigen gezielte Unterstützung. Bei Kindern, die regelmäßig einnässen oder einkoten, ist die Gefahr sehr groß, Opfer von Mobbing zu werden. Der dadurch entstehende Druck kann die Symptomatik weiter verschlechtern, sodass ein solcher Kreislauf auf jeden Fall durchbrochen werden sollte. Es kann auch dazu führen, dass Kinder an Klassenfahrten, Übernachtungen in Schulen und Vereinen usw. nicht teilnehmen, in einem separaten Zimmer schlafen oder nachts Windeln tragen müssen, was zusätzlich zu Ausgrenzung, mangelnder Teilhabe und Mobbing zur Folge haben kann.

Viele Kinder merken selbst gar nicht mehr, wenn ihnen etwas in die Hose gegangen ist. Dies wahrzunehmen und sich selbst zu säubern und umzuziehen, sollte mit ihnen gemeinsam gelernt werden. Besonders wichtig ist es, genau zu besprechen, welche Situationen und Gefühle dem Einnässen oder Einkoten unmittelbar vorausgegangen sind. Durch eine enge Begleitung, die manchmal nur im stationären Setting geleistet werden kann, kann das Kind dann in schwierigen Situationen durch eine Bezugsperson koreguliert werden und mit der Zeit lernen, sich selbst zu regulieren. So lernt das Kind, ein Gefühl für sein Stresserleben zu entwickeln und seine Ausscheidungsfunktionen zu kontrollieren.[6]

 

[1] Vgl. Koeslin, Jürgen; Streiber, Sonja (2015): Psychiatrie und Psychotherapie für Heilpraktiker. 4. Auflage. München: Urban & Fischer, S. 253ff.

[2] Vgl. Gontard, Alexander von (2007): Enkopresis. In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie. 56. Jahrgang, Heft 6. S. 492-510, S. 492.

[3] Vgl. Koeslin, Jürgen; Streiber, Sonja (2015): Psychiatrie und Psychotherapie für Heilpraktiker. 4. Auflage. München: Urban & Fischer, S. 253ff.

[4] Vgl. Schmidt-Boß, Susanne; Kunze, Beate (2009): Enuresis und Enkopresis. In: Hopf, Hans; Windaus, Eberhard (Hrsg.): Lehrbuch der Psychotherapie für die Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und für die ärztliche Weiterbildung. Band 5: Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. München: CIP-Medien im Psychosozial-Verlag. S. 385-401, S. 388.

[5] Vgl. Brisch, Karl Heinz (2016): Grundschulalter. Bindungspsychotherapie – Bindungsbasierte Beratung und Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 202-206.

[6] Vgl. Ebd., S. 206-211.