Jugendliche können sehr ambivalentes Verhalten zeigen, das zum Teil mit ihren Bindungsmustern in Zusammenhang steht. Da Jugendliche in der Pubertät viele Reize aufnehmen und mit den eigenen körperlichen und psychischen Veränderungsprozessen konfrontiert sind, entwickeln viele von ihnen Ängste, können nachts schlecht schlafen oder haben Alpträume. Mit den Bindungspersonen darüber ins Gespräch zu kommen, fällt ihnen oft schwer und ist bei gemeinsamen Aktivitäten am leichtesten.[1]
Hierbei zeigen sich Unterschiede, die mit den unterschiedlichen Bindungsmustern der Jugendlichen in Zusammenhang stehen. Sicher gebundene Jugendliche sind in der Lage, ständig neue Autonomieerfahrungen zu machen und sich bei Bedarf oder in unsicheren Phasen, an ihre Bindungspersonen zu wenden. Eine grundsätzliche Verbindung besteht zwischen einer sicheren Bindung, höherer Anpassungsfähigkeit und Autonomie sowie Verbundenheit und einem klareren Selbstbild. Besonders groß ist das Erleben der eigenen Selbstwirksamkeit und Selbständigkeit, wenn die Bindungspersonen sich mit dem oder der Jugendlichen über ihre Entwicklung freuen und gleichzeitig vermitteln, dass das Kind jederzeit in die Sicherheit nach Hause zurückkehren kann.[2]
Unsicher gebundene und Jugendliche, die sich auffällig distanziert verhalten, neigen hingegen dazu, ein positiveres Selbstbild zu haben, als es andere beschreiben würden. Selbstidealisierung und ein vermeidendes bzw. distanziertes Bindungsverhalten konnten immer wieder miteinander in Zusammenhang gebracht werden. Die Selbsteinschätzung der Jugendlichen ist also nicht immer realistisch.[3] Insgesamt zeigen Befunde, dass das Bindungsmuster im Kleinkindalter und das im Jugendalter zusammenhängen. Allerdings ist diese Kontinuität nicht vorherbestimmt oder einfach. Alle Erfahrungen, die ein Kind in der Zwischenzeit sammelt, können das Bindungsmuster beeinflussen. Das bedeutet also auch, dass Eltern und Pflegeeltern das Bindungsmuster ihrer Kinder während der gesamten Kindheit und Jugend beeinflussen und unterstützen können.[4]
Pubertierende Unterstützen
Jugendliche können sehr ambivalentes Verhalten zeigen. Auf der einen Seite können sie von ihren Eltern und ihrem Umfeld ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich Regeln und Normen verlangen, auf der anderen Seite über zu viel Freiheit, Unberechenbarkeit und scheinbar beliebigem Verhalten irritiert sein. Von Bindungspersonen können die Jugendlichen in ihren moralischen Fragen unterstützt werden, indem sie Diskussionen zulassen und durch ihre Haltung eine Orientierung geben. Bindungspersonen, die Auseinandersetzungen unterbinden, lassen die Jugendlichen angespannt und unsicher zurück. Je klarer und konsequenter Eltern ein Ja oder Nein formulieren und je mehr sich die Jugendlichen darauf verlassen können, dass diese Bestand haben, desto weniger müssen sie die Grenzen austesten oder ein Nein auf die Probe stellen. Je mehr unterschiedliche Regeln Jugendliche von unterschiedlichen Bezugspersonen erfahren, desto unsicherer sind sie und desto intensiver sind die Auseinandersetzungen. Insbesondere willkürliche Entscheidungen von Erwachsenen führen in dieser Phase zu Angst, Stress und Wut. Bindungspersonen erscheinen ihnen in diesen Fällen unzuverlässig und das Gefühl von Sicherheit schwindet.[5]
[1] Brisch, Karl Heinz (2019): Pubertät. Bindungspsychotherapie – Bindungsbasierte Beratung und Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 58.
[2] Brisch, Karl Heinz (2019): Pubertät. Bindungspsychotherapie – Bindungsbasierte Beratung und Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 55f.
[3] Grossmann, Karin; Grossmann, Klaus E. (2004): Bindungen – das Gefüge psychischer Sicherheit. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 515f.
[4] Grossmann, Karin; Grossmann, Klaus E. (2004): Bindungen – das Gefüge psychischer Sicherheit. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 521.
[5] Brisch, Karl Heinz (2019): Pubertät. Bindungspsychotherapie – Bindungsbasierte Beratung und Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 58f.