Die Pubertät ist eine Zeit, die mit vielfältigen Veränderungen einhergeht. Der Körper verändert sich, die sexuelle Reifung setzt ein und selbst in der neuronalen Organisation des Gehirns kommt es zu einem Umbau. Während alte Strukturen aufgelöst werden, sind noch keine neuen vorhanden, sodass Jugendliche selbst häufig von ihren Emotionen und ihrem Verhalten überrascht sind.[1]

Sie erleben also erneut eine Phase, die mit großer Unsicherheit einhergeht und in der sie, ähnlich wie als Kleinkind, auf eine verlässliche, stabile Umwelt angewiesen sind. Auch jetzt geht es wieder um die feine Balance zwischen Bindung und Autonomie.[2]

Werte, Normen und Regeln, die eigentlich längst vertraut waren, sind plötzlich nicht mehr selbstverständlich und müssen von Eltern immer wieder eingefordert werden. Es ist auf vielen Ebenen eine Zeit der Unsicherheit. In Bezug auf die eigene Identität, den eigenen Weg und die Frage, wie sie selbst Beziehungen leben wollen. Gleichzeitig lösen sich die Jugendlichen aus ihren bisherigen familiären Beziehungen und die Beziehungen zu Freunden und Gleichaltrigen gewinnen an größerer Bedeutung.

Eltern und Pubertät

Auch für Eltern ist die Zeit der Pubertät ihres Kindes häufig herausfordernd. Sie fühlen sich an die eigene Jugend erinnert und erleben diese Zeit besonders dann als stressvoll, wenn sie selbst Erfahrungen der Einsamkeit, Trennung und Vernachlässigung gemacht haben. Selbst sicher gebundene Jugendliche kommen in der Pubertät in einen natürlichen inneren Widerstreit. Dieser kann zu vielfältigen Konflikten mit den Bindungspersonen führen. Während sie die Unterstützung der Eltern eigentlich annehmen möchten, verbieten sie sich dies, weil sie autonom und selbständig sein möchten.[3]

Eine vertrauensvolle Beziehung zu den Eltern geht einher mit mehr Selbstachtung, positiver Identität und mehr Selbstbewusstsein. Außerdem mit mehr Zufriedenheit mit der Familie und dem Freundeskreis, emotionaler Ausgeglichenheit und Selbstbestimmung. Es geht also nicht um die vollkommene Loslösung von den Eltern, sondern im Gegenteil, eine vertrauensvolle, partnerschaftliche Beziehung ist das Ziel. Zusätzlich zu den allgemeinen Herausforderungen der Pubertät, kann sie bei Pflegekindern die Frage nach der eigenen Herkunft aufwerfen. Die Frage, was sie selbst ausmacht, was sie von ihren Vorfahren übernommen haben und was ihnen ganz zu eigen ist, beschäftigt sie wie alle Jugendlichen – nur dass die Beantwortung dieser Fragen für Pflegekinder oft viel komplexer ist.[4]

[1] Brisch, Karl Heinz (2019): Pubertät. Bindungspsychotherapie – Bindungsbasierte Beratung und Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 26f.

[2] Grossmann, Karin; Grossmann, Klaus E. (2004): Bindungen – das Gefüge psychischer Sicherheit. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 516

[3] Brisch, Karl Heinz (2019): Pubertät. Bindungspsychotherapie – Bindungsbasierte Beratung und Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 27.

[4] Brisch, Karl Heinz (2019): Pubertät. Bindungspsychotherapie – Bindungsbasierte Beratung und Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 185.