Fremdheit kann eine Herausforderung für Pflegefamilien sein. Grundsätzlich gibt es vier verschiedene Arten, wie eine Kultur reagieren kann, wenn sie mit einer anderen, „fremden“, Kultur aufeinandertrifft. Die im Folgenden genannten Konzepte stellen Vereinfachungen dar, Abweichungen, Abschwächungen und Mischungen sind möglich.

Ausschluss (Exklusion)

Beim Ausschlusskonzept bleibet das Fremde außerhalb der eigenen Kultur. Hier wird das Fremde häufig als Bedrohung angesehen. Wenn Pflegekinder in eine Familie kommen, die sich im Sinne des Ausschluss- und Anpassungskonzeptes verhält, wird häufig von ihnen erwartet, dass sie sich deutlich von ihrer Herkunftsfamilie distanzieren. Sie sollen bereit sein, in kurzer Zeit und möglichst umfänglich Teil der Pflegefamilienkultur zu werden. Gelingt dem Kind die Anpassung nicht oder weigert es sich, kann der Ausschluss aus der Familie oder der Abbruch des Pflegeverhältnisses drohen. Die Familie erlebt dann, „dass das Kind einfach nicht zu ihnen passt“.

Anpassung (Assimilation)

Dasselbe gilt auch bei der Anpassung – hier muss das Fremde die bestehende Kultur nahezu vollständig übernehmen. Ausschluss und Anpassung sind Gegensätze. Meist finden sich jedoch genau diese Gegensätze gemeinsam in relativ starren und an Regeln orientierten (Familien-)kulturen.

Pflegekinder, die in eine Familie mit einem Ausschluss- und Anpassungskonzept vermittelt werden, haben dann nur die Wahl zwischen Ausschluss oder vollständiger Anpassung.  Gelingt den Pflegekindern die Anpassung, können sie die Erfahrung machen, vollständig integriert zu werden.

Vermischung

Bei der Vermischung entsteht aus der bestehenden und der fremden Kultur etwas vollkommen Neues. Das Fremde wird nicht als Bedrohung, sondern als Chance für eine Bereicherung des eigenen wahrgenommen. Pflegekinder können, wenn sie in eine Familie kommen, die sich entsprechend des Vermischungskonzeptes verhält, folgendes erfahren: De Pflegeelter reagieren flexibel auf sie und sie können gleichwertige Gestalterinnen und Gestalter des Zusammenlebens sein. Pflegekindern kann das zu einem sanfteren Übergang verhelfen und ermöglichen, dass sich das Kind dauerhaft in der neuen Kultur wiederfinden kann.

Multikulti

Das Multikulti-Konzept geht von der Idee aus, dass verschiedene Kulturen nebeneinander existieren. Wie bei einem Mosaik, ein Stein am anderen, können diese von der Vielfalt der Verschiedenheit dauerhaft profitieren. Das Multikulturalismuskonzept bedeutet, dass dauerhaft verschiedene Familienkulturen nebeneinander leben. Zum Beispiel die ‚alte‘ Kultur der Pflegefamilie und die neue des Pflegekindes.

Für Pflegekinder kann dies den Vorteil bieten, dass sie ihre eigene Herkunftskultur weiter leben können und mit allem so angenommen werden, wie sie sind, ohne sich anpassen zu müssen. Nähe entsteht dann vor allem durch Gemeinsamkeiten, also Aspekten, die in beiden Kulturen vorkommen.[1]

[1] Reimer, Daniela (2008): Pflegekinder in verschiedenen Familienkulturen. Belastungen und Entwicklungschancen im Übergang. URL: https://dspace.ub.uni-siegen.de/bitstream/ubsi/1001/1/Daniela_Reimer_Pflegekinder_in_verschiedenen_Familienkulturen.pdf (zuletzt aufgerufen am 29.11.2021), S. 63.