Über den Integrationsprozess und die drei Phasen hinaus können Pflegekinder herausfordernde Erlebens- und Verhaltensweisen zeigen. Wie alle Menschen machen sie das nicht ohne Grund. Die menschliche Psyche funktioniert logisch. Die Erlebens- und Verhaltensweisen von Menschen sind Ausdruck ihrer Anpassungsleistungen und Überlebensstrategien. Entsprechend können Probleme von heute Lösungsstrategien von gestern sein. Es kann sehr hilfreich und aufklärend sein, zu hinterfragen, wofür sie einen Lösungsversuch darstellen.[1]

Der Blick auf das eigene oder fremde Verhalten ändert sich, wenn man es mit der Frage nach dem Hintergrund, also dem „guten Grund“ betrachtet. Er macht bewusst, dass es gute Gründe für scheinbar schlechte Dinge gibt. Die Autorin und Therapeutin Verena König fasst diesen Grundsatz in Bezug auf Traumafolgen sehr passend zusammen: „Traumafolgen sind Symptome, die in ihrem Ursprung normale Reaktionen auf unnormale Ereignisse sind.“ (Verena König, S. 30). Nicht das Verhalten ist also unnormal, sondern die Ereignisse, die es hervorgerufen haben. Wie Sie schon aus dem vorhergehenden Modul zum Thema Trauma wissen, können diese Ereignisse sehr unterschiedlich sein. Ebenso komplex und unterschiedlich sind dann die Reaktionen darauf, die ein Kind zeigen kann.[2]

 

[1] Vgl. König, Verena (2021): Bin ich traumatisiert? Wie wir die immer gleichen Problemschleifen verlassen.  München: Gräfe und Unzer Verlag, S. 25ff.

[2] Vgl. Ebd., S. 30.