Als Fetale Alkoholspektrumstörungen, abgekürzt FASD (Fetal Alcohol Spectrum Disorders), bezeichnet man alle Auswirkungen auf die Entwicklung des Embryos, die mit dem Alkoholkonsum der Mutter in Zusammenhang stehen. Es handelt sich um eine nicht heilbare Behinderung, die ein Leben lang besteht. Hauptmerkmal einer FASD ist die alkoholbedingte Schädigung im Gehirn, die sich im Verhalten der betroffenen Menschen zeigt.[1]

Neben der alkoholbedingten Schädigung im Gehirn, die das Verhalten der betroffenen Personen beeinflusst, können folgende Symptome kommen:

  • Kleinwüchsigkeit im Vergleich zu Gleichaltrigen
  • Fehlende Doppelfalte zwischen Oberlippe und Nasenspitze, kurze Lidspalten, schmale Oberlippe
  • Denkstörungen (z. B. Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisschwierigkeiten, mangelndes Abstraktionsvermögen)
  • Soziale Störungen wie z. B. Distanzlosigkeit
  • Emotionale Störungen wie z. B. Aggressivität

Für eine genauere Diagnose wird auch der bestätigte Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft berücksichtigt. Da das Thema für die betroffene Kindsmutter bisweilen schambehaftet ist, genügen in der Praxis häufig auch die Vermutung des Alkoholkonsums der Mutter oder eine Bestätigung dessen durch den Kindsvater.[2]

Grundsätzlich können alle Organe von den Auswirkungen des Alkoholkonsums der Mutter betroffen sein. So leiden 30% der Betroffenen neben einer hirnorganischen Schädigung auch an einem Herzfehler, 20-30% von ihnen haben skelettale Fehlbildungen und 10% sind von urogenitalen Veränderungen betroffen. Bei Kindern mit FASD ist auch die Entwicklung in aller Regel verzögert. So ist die Sprachentwicklung oftmals zunächst verzögert, später haben manche von ihnen einen starken Rededrang. Das Sprachverständnis bleibt aber gestört. Hinzu können Schwierigkeiten bei der Grob- und Feinmotorik sowie Ess- und Schluckbeschwerden kommen.

Menschen mit FASD können Regeln und Sinnzusammenhänge oft nur schwer erfassen, sodass Absprachen, Lerninhalte oder Zusagen häufig direkt wieder vergessen werden. Die Risiken des eigenen Verhaltens können schwer eingeschätzt werden und oftmals fehlt die Angst vor Gefahren. Die Absichten von anderen Personen können nur schwer durchschaut werden, sodass Menschen mit FASD immer wieder durch Leichtgläubigkeit in schwierige Situationen geraten können.[3]

Kinder mit FASD verstehen

Wenn Kinder mit FASD mittags von der Schule nach Hause kommen, kann eine schwierige Situation entstehen. Gerade bei den Schulaufgaben wird deutlich, dass viele Kinder eine verminderte Intelligenz haben, kreative Aufgaben nur schwer umsetzen können und sich oft schon gar nicht mehr erinnern, was sie am Morgen im Unterricht gemacht haben. Oft hampeln sie dann herum, anstatt konzentriert Hausaufgaben zu machen, sind ungeduldig und können sehr wütend werden, wenn sie angesprochen werden.

Manchmal zeigen sie sich aber auch ganz zurückgezogen und können sich selbst zu gar nichts motivieren. Sie brauchen dann auch für Alltagstätigkeiten eine Anweisung und zeigen bisweilen kaum Eigeninitiative. Grundsätzlich sind viele Kinder mit FASD aber sehr hilfsbereit und vertrauen jedem Menschen sofort. Leider kann das auch dazu führen, dass sie ausgenutzt werden und auf Anweisung von Klassenkameradinnen und Klassenkameraden Dinge tun, die für sie persönlich später negative Konsequenzen haben. Aus diesen Konsequenzen können sie aber oftmals keine Lehre ziehen. Immer wieder geraten die Kinder in ähnliche Situationen. Für Bezugspersonen kann es dann herausfordern sein, sie nicht erneut für ihr Fehlverhalten zu bestrafen, um einer zunehmenden Spirale aus Bestrafung und wachsender Verzweiflung vorzubeugen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Kinder mit FASD oftmals gar nicht richtig erinnern können und dann scheinbar lügen. Tatsächlich ist das aber nicht ihre Absicht, sondern liegt an ihrer eingeschränkten Gedächtnisleistung.

Die beschriebenen Aspekte führen dazu, dass Menschen mit FASD ein größeres Risiko tragen, ebenfalls an Alkoholmissbrauch oder Alkoholsucht zu erkranken, weshalb Bezugspersonen besonders aufmerksam mit diesem Thema umgehen sollten.[4]

FASD-spezifische Pädagogik

Aufgrund der kognitiven Einschränkungen von an FASD erkrankten Kindern und Jugendlichen empfiehlt sich eine FASD-spezifische Pädagogik.

  • Erziehung, sondern auf Schutz und Struktur liegen
  • Pädagogik im Hier und Jetzt, also Entschärfung der gegenwärtigen Situation
  • Als Pflegeeltern die Regeln bestimmen und auf deren Einhaltung achten. Dabei ist es gut, sich auf die wichtigsten Regeln zu beschränken und keine Ausnahmen zuzulassen.
  • Kein Appell an die Vernunft des Kindes oder längere Erklärungen
  • Lob und Wertschätzung für alltägliche Bemühungen und Erfolge
  • Reizarme Umgebung schaffen
  • Immer gleiche Strukturen, Rituale und Übergänge im Tagesablauf[5]
  • Kurze, klare, kleinschrittige Anweisungen (die z. B. auch mit Hilfe von Bildkarten unterstützt werden können)
  • Entspannungsmethoden anleiten und den Medienkonsum einschränken. Hierbei kann unter anderem die Methode der Progressiven Muskelentspannung helfen.[6] Eine Anleitung hierzu finden Sie hier: https://s1346784cb819b28f.jimcontent.com/download/version/1672242383/module/12975350526/name/ukraine_handout_start_deutsch_03.2022.pdf[7]

 

[1] Vgl. Feldmann, Reinhold (2022): Diagnostik der vorgeburtlichen Alkoholschädigung bei Kindern und Jugendlichen. In: Feldmann, Reinhold; Graf, Erwin (Hrsg.): Praxishandbuch FASD in der Jugendhilfe. Ernst Reinhard Verlag: München, S. 27-39, S. 27.

[2] Vgl. Mosé, Sigrid (2022): Konzeption für eine FASD-qualifizierte Arbeit im Pflegekinderfachdienst. In: Feldmann, Reinhold; Graf, Erwin (Hrsg.): Praxishandbuch FASD in der Jugendhilfe. Ernst Reinhard Verlag: München, S. 52-63, S. 62.

[3] Vgl. Feldmann, Reinhold (2022): Diagnostik der vorgeburtlichen Alkoholschädigung bei Kindern und Jugendlichen. In: Feldmann, Reinhold; Graf, Erwin (Hrsg.): Praxishandbuch FASD in der Jugendhilfe. Ernst Reinhard Verlag: München, S. 27-39, S. 27ff.

[4] Vgl. Feldmann, Reinhold (2022): Diagnostik der vorgeburtlichen Alkoholschädigung bei Kindern und Jugendlichen. In: Feldmann, Reinhold; Graf, Erwin (Hrsg.): Praxishandbuch FASD in der Jugendhilfe. Ernst Reinhard Verlag: München, S. 27-39, S. 30ff.

[5] Vgl. Mosé, Sigrid (2022): Konzeption für eine FASD-qualifizierte Arbeit im Pflegekinderfachdienst. In: Feldmann, Reinhold; Graf, Erwin (Hrsg.): Praxishandbuch FASD in der Jugendhilfe. Ernst Reinhard Verlag: München, S. 52-63, S. 59ff.

[6] Vgl. Feldmann, Reinhold; Kampe, Martina; Graf, Erwin (2020): Kindern mit FASD ein Zuhause geben. Ein Ratgeber. Ernst Reinhard Verlag: München, S. 41

[7] Dixius, Andrea; Möhler, Eva (2022): START & START-Kids. Hilfreiche Tipps und Skills. Umgang mit Stress, Gefühlsregulation zur Stabilisierung bei (traumatischen) Belastungen. URL: https://s1346784cb819b28f.jimcontent.com/download/version/1672242383/module/12975350526/name/ukraine_handout_start_deutsch_03.2022.pdf (zuletzt aufgerufen am 20.03.2023).