Die meisten Pflegeeltern erkennen an, dass es in ihrer Rolle nicht darum geht, die Herkunftseltern zu ersetzen und dass ein Umgang des Kindes mit seinen leiblichen Eltern wichtig ist, um sich als Teil beider Familiensysteme erleben zu können. 74% der Pflegeeltern kommen ihrer Verpflichtung in hohem Maße oder zumindest teilweise nach, die Kontakte zu fördern und zu unterstützen.  Manche Pflegeeltern haben allerdings Sorge darum, dass die Herkunftseltern die Kinder bei Besuchskontakten, verletzen, beschämen, oder ihnen durch Ignoranz, Alkohol, Drogen usw. schaden könnten.[1]

Viele Pflegeeltern empfinden die Auseinandersetzung mit dem Thema Herkunft, ganz unabhängig davon, ob Umgangskontakte stattfinden oder nicht, als Belastung. Zudem werden sie durch den Kontakt zu den leiblichen Eltern daran erinnert, dass das Kind nicht ihr eigenes ist. Das zwingt sie zur Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle und wird häufig als anstrengend empfunden. Missmut kann auch entstehen, wenn der Aufwand der Pflegeeltern, Besuchskontakte zu ermöglichen, nicht honoriert wird und sie z.B. Gegensatz zu den leiblichen Eltern, keine Fahrtkostenerstattung bekommen. Die Anspannung während der Kontakte ist groß und viele Pflegeeltern empfinden einen Leistungsdruck, zeigen zu müssen, dass sie die besseren Eltern sind. Zudem beschäftigt sie die Sorge vor den Nachwirkungen des Umgangs, die für viele oft nicht absehbar sind.[2]

SORGEN UND ÄNGSTE VON PFLEGEELTERN

Ängste entstehen auch, wenn die Herkunftseltern aus einem ihnen ungewohnten Milieu kommen, sie Sorge vor gewaltvollen oder kriminellen Handlungen haben. Das bezieht sich auf die Kontakte selbst, aber auch darauf, Angst zu haben, dass die leiblichen Eltern die Pflegefamilie in deren Zuhause aufsuchen und bedrohen könnten. Viele Pflegeeltern sehen sich den Herkunftseltern und den Fachkräften gegenüber in einer schwächeren Position, sowohl rechtlich und in Bezug auf das Kind, weil sie nicht die „richtigen“ Eltern sind als auch durch den oft engeren Kontakt, der zwischen den Herkunftseltern und den Fachkräften besteht. Stärkend empfinden viele von ihnen, den Gedanken, dass sie es sind, die mit dem Kind nach Hause gehen, ganz egal, was beim Umgang passiert. Besonders schwierig ist es für sie, wenn die leiblichen Eltern besserwisserisch auftreten und den Pflegeeltern vorwerfen, sich nicht gut genug um das Kind zu kümmern.[3]

Eine Studie konnte zeigen, dass die Empathie der Pflegeeltern gegenüber den Herkunftseltern eine große Rolle spielt. Sie hat sogar stärkere Auswirkungen auf die Umgangskontakte als Charakteristika des Kindes, der leiblichen Eltern oder die Art und Häufigkeit der Kontakte.[4]  Insgesamt ist die Studienlage dazu, ob die Beziehung des Kindes zu den Herkunftseltern, die durch die Umgangskontakte entsteht, Einfluss auf die Integration des Pflegekindes in die Pflegefamilie hat, an vielen Stellen unklar.

AUSWIRKUNGEN VON UMGANGSKONTAKTEN

Einige Studien zeigen, dass Umgangskontakte keine generellen Auswirkungen darauf haben, ob sich das Kind gut in die Pflegefamilie integrieren kann. Eine gute Integration des Pflegekindes in die Pflegefamilie ist sowohl bei der Mehrzahl der Kinder mit als auch ohne Umgangskontakte gegeben.  Andere Untersuchungen zeigen, dass eine vollständige Integration des Kindes in die Pflegefamilie bei Kindern mit Umgangskontakten etwas geringer ist.

Erklärungsversuche hierfür sind vielschichtig. So kann es sein, dass sich die Unsicherheit über den dauerhaften Verbleib des Kindes, der in vielen Pflegeverhältnissen eine Rolle spielt, auf das Kind überträgt. Aus psychodynamischer Sicht kann hinzukommen, dass die Kinder den Umgangskontakt als angstauslösend erleben und fehlenden Schutz durch die Pflegeeltern empfinden. Im Kontakt mit den Herkunftseltern wird dann der Rückfall in ältere desorganisierte Bindungsmuster oder »zwanghaft-gehorsames« Verhalten begünstigen. Die Beziehung zur Herkunftsfamilie kann ein entscheidender Schlüsselfaktor für das Gelingen von Pflegeverhältnissen sein. Und auch nach Ende der Hilfe kann der Kontakt zu den leiblichen Eltern für die jungen Erwachsenen eine wichtige Rolle spielen.[5]

 

[1] Küfner, Marion; Helming, Elisabeth; Kindler, Heinz (2010): Umgangskontakte und die Gestaltung von Beziehungen zur Herkunftsfamilie. In: Kindler, Heinz; Helming, Elisabeth; Meysen, Thomas; Jurczyk, Karin (Hrsg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V. S. 562-613, S. 576.

[2] Pierlings, Judith; Reimer, Daniela (2015): Belastungen und Ressourcen im Kontext von Besuchskontakten. In: Wolf, Klaus (Hrsg.): Sozialpädagogische Pflegekinderforschung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. S. 245-266, S. 256f.

[3] Ebd., S. 257f.

[4] Küfner, Marion; Helming, Elisabeth; Kindler, Heinz (2010): Umgangskontakte und die Gestaltung von Beziehungen zur Herkunftsfamilie. In: Kindler, Heinz; Helming, Elisabeth; Meysen, Thomas; Jurczyk, Karin (Hrsg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V. S. 562-613, S. 588.

[5] Ebd., S. 576-579, S. 573f.