Für traumatisierte Kinder ist es besonders wichtig, ihnen zu signalisieren, dass ihre Gefühle und ihr Verhalten keineswegs verrückt, sondern nachvollziehbar sind. Es handelt sich um normale Reaktionen auf unnormale Ereignisse.
Insbesondere traumatisierte Pflegekinder brauchen Haltung und Sicherheit von Ihren Pflegeeltern, um sich von den mitunter verantwortlichen Herkunftseltern lösen zu können. Ohne den Schutz und die Begleitung durch Erwachsene können Kinder nicht überleben. Sie halten deshalb um jeden Preis an ihren Bezugspersonen fest, auch wenn sie schmerzvolle und bedrohliche Erfahrungen machen. Pflegekinder können von ihnen erst Abstand nehmen, wenn sie einen anderen, sicheren Halt geboten bekommen, mit dem sie eine sichere Bindung eingehen können. Sie brauchen vor allem Ruhe, Zeit und Sicherheit.
Die folgende Auflistung zeigt die wesentlichen Schutzfaktoren, die Pflegeeltern ihren traumatisierten Pflegekindern zur Verfügung stellen können:
- Positive Rückmeldungen – die Fähigkeiten und Stärken des Kindes betonen und spiegeln
- Gestaltungsspielräume – Räume anbieten, in denen sich das Kind eigenverantwortlich und selbstwirksam erleben kann
- Verbindlichkeit – authentisches und ehrliches Verhalten zeigen; Sicherheit geben und Versprechungen vermeiden, die nicht gehalten werden können
- Anerkennung der leiblichen Eltern – das Kind muss seine leiblichen Eltern weiterhin lieben und vermissen dürfen
- Familienrituale – gemeinsame Rituale entwickeln, die alle Familienmitglieder teilen
- Vorherige Stationen – vorherige Bindungen einbeziehen und Wahlmöglichkeiten im Hinblick auf die Hilfe geben
- Schützendes Netzwerk – ein Unterstützungssystem (privat und professionell) aktivieren[1]
Empfehlungen für Stabilität und Sicherheit
Die Psychologin und Traumaexpertin Schmitter-Boeckelmann gibt Pflegeeltern einige Empfehlungen, die für Stabilität und Sicherheit sorgen können.
- Zunächst einmal gilt es herauszufinden, welche Situationen genau das Pflegekind triggern, um diese zu minimieren oder das Kind gezielt in einem angemessenen Umgang damit zu begleiten.
- Geben Sie Hilfe bei der Erregungs- und Affektregulation durch liebevolle Zuwendung und Begleitung, damit sich das Kind im Hier und Jetzt sicher fühlen kann.
- Bei Kleinkindern und jüngeren Schulkindern kann Körperkontakt durch Wiegen, Massagen oder Gehaltenwerden Sicherheit geben und das Gefühl für die eigenen Körpergrenzen stärken. Hierbei muss unbedingt darauf geachtet werden, dass das Kind die Berührungen als positiv erlebt und nicht als erneute Grenzüberschreitung.
- Der wütende und aggressive innere Anteil des Pflegekindes sollte ebenfalls Raum bekommen und das Pflegekind gleichzeitig lernen, für sein Verhalten die Verantwortung zu übernehmen. Ein Boxsack oder das Zerreißen von Zeitungen oder Karton können hilfreich sein, wenn es durch die Pflegeeltern begleitet wird.[2]
Daneben können sogenannte „Skills“ hilfreich sein. Das sind Fertigkeiten, die kurz- oder langfristig helfen, Anspannungszustände zu regulieren, mit starkem Stress umzugehen, oder aus der Dissoziation raus, wieder ins Hier und Jetzt zu kommen. Sie können zur Selbstberuhigung und Anspannungsreduktion beitragen.[3] Eine empfehlenswerte Sammlung findet sich unter dem folgenden Link: https://s1346784cb819b28f.jimcontent.com/download/version/1672242383/module/12975350526/name/ukraine_handout_start_deutsch_03.2022.pdf
[1] Klappstein, Kerstin; Kortewille, Ralph (2020): Traumatisierte Kinder im Alltag feinfühlig unterstützen. Psychoedukation im Überblick. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 27-29.
[2] Schmitter-Boeckelmann, Anne (2013): Erkenntnisse der Neurobiologie und der Psychotraumatologie als Beitrag zum Verständnis des Verhaltens und Erlebens von Pflegekindern. In: Trauma & Gewalt, 7. Jahrgang, Heft 4/2013. Stuttgart: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, S. 351f.
[3] Dixius, Andrea; Möhler, Eva (2022): START & START-Kids. Hilfreiche Tipps und Skills. Umgang mit Stress, Gefühlsregulation zur Stabilisierung bei (traumatischen) Belastungen. S. 1ff. URL: https://s1346784cb819b28f.jimcontent.com/download/version/1672242383/module/12975350526/name/ukraine_handout_start_deutsch_03.2022.pdf (zuletzt aufgerufen am 20.03.2023).