Die Hintergründe, warum Kinder in Pflege gegeben werden, können sehr unterschiedlich sein und setzen sich oftmals aus unterschiedlichen Puzzleteilen zusammen. Der tatsächlichen Inobhutnahme gehen häufig andere sozialpädagogische Maßnahmen voraus. Bisweilen gibt es ein mehrfaches Hin und Her, bis der Verbleib des Kindes geklärt ist.[1] Die Herausnahme eines Kindes ist kein Übergang, der in der Biographie jedes Menschen vorkommt, sondern kann als ein kritisches Lebensereignis betrachtet werden, das bewältigt werden muss. In Interviews mit Pflegekindern fand man heraus, dass es drei unterschiedliche Formen gibt, wie sich ein Übergang aus der Herkunftsfamilie heraus und in die Dauerpflegefamilie hinein gestalten kann. Diese werden unterschiedlich erlebt. Unterschieden wird zwischen einem angebahnten Übergang, der Formalisierung eines Pflegeverhältnisses und der Inobhutnahme. Bitte klicken Sie auf die einzelnen Puppenhäuschen, um mehr zu erfahren.
1. Inobhutnahme
Die Mehrzahl der Kinder, die in Pflege gegeben werden, wird zuvor in Obhut genommen. In der Regel werden sie ohne Vorbereitung und ohne Begleitung einer vertrauten Person aus der Schule oder dem Kindergarten abgeholt. Sie können sich weder von ihren leiblichen Eltern verabschieden noch persönliche Sachen mitnehmen. Die Inobhutnahme kann Kindern erleichtert werden, indem z. B. eine Pause in der Schule abgewartet wird und eine Vertrauensperson mit dabei ist. Das ist meist möglich, da die Familie den Jugendämtern oft schon länger bekannt ist. Der Prozess kann entschleunigt werden, indem zunächst in Ruhe besprochen wird, was passiert, bevor das Kind in eine Pflegefamilie kommt.
2. Angebahnte Pflegeverhältnisse
Als angebahnt werden Inpflegegaben laut Studie dann erlebt, wenn Pflegekinder z. B. zunächst in einer Bereitschaftspflegefamilie leben und dann eine Kennenlernphase erleben. In dieser können sie ihre zukünftigen Pflegeeltern kennenlernen, zur Probe dort übernachten und haben das Gefühl, auch „Nein“ sagen zu können. Für kleine Kinder, etwa im Alter von drei Jahren, wurde diese Anbahnungsphase als eher verwirrend erlebt, da sie das Geschehen nicht einordnen konnten. Die interviewten Pflegekinder erlebten es beispielsweise als verletzend, wenn die abgebenden Pflegeeltern „wie nebenbei“ mitteilten, dass sie die Pflege nicht weiterführen werden. Sie fühlten sich auch im Stich gelassen, wenn die abgebenden Pflegeeltern zu den Besuchen bei den neuen Pflegeeltern nicht mitkamen.
3. Formalisiertes Pflegeverhältnis
Unter formalisierten Pflegeverhältnissen versteht man solche, die informell, das heißt, bei Verwandten oder Bekannten beginnen und dann im Laufe der Zeit offiziell formalisiert werden. Die befragten Kinder können den Übergang oder den Status des Pflegeverhältnisses nicht benennen. Oftmals verschiebt sich der Lebensmittelpunkt schrittweise hin zu den pflegenden Verwandten oder Bekannten. Die Pflegeverhältnisse sind also nicht als solche geplant, es findet aber auch keine dramatische Trennung statt. Bei Kindern, die in Verwandtenpflege leben, sind die Familienverhältnisse nicht immer ganz klar. Ein Verschweigen kann bei den Pflegekindern zu großer Verwirrung führen, wenn sie z. B. erfahren, dass die Frau, die sie viele Jahre für ihre Mutter gehalten haben, eigentlich ihre Großmutter und der vermeintliche Bruder eigentlich der leibliche Vater ist.[2]
[1] Küfner, Marion; Schönecker, Lydia (2010): Rechtliche Grundlagen und Formen der Vollzeitpflege. In: Kindler, Heinz; Helming, Elisabeth; Meysen, Thomas; Jurczyk, Karin (Hrsg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V. S. 48-101. S. 324.
[2] Sandmeir, Gunda; Scheuerer-Englisch, Hermann; Reimer, Daniela; Wolf, Klaus (2010): Begleitung von Pflegekindern. In: Kindler, Heinz; Helming, Elisabeth; Meysen, Thomas; Jurczyk, Karin (Hrsg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V. S. 480-523. S. 483-486.