Verselbständigung stellt neben einer Rückführung, also der Rückkehr des Kindes zu seiner Herkunftsfamilie, eine weitere Form der geplanten und begleiteten Beendigung einer Pflegesituation dar. Da die Verselbständigung das Ziel hat, den oder die Jugendliche*n bei einer eigenverantwortlichen Lebensführung zu unterstützen, bezieht sich die Verselbständigung auf Jugendliche und junge Erwachsene.[1]  Verselbstständigung kann als eine Sammlung von Fähigkeiten beschrieben werden, die einen jungen Menschen dazu befähigen, allein für sich sorgen zu können. Hierzu gehören unter anderem:

  • Alltagspraktische Fähigkeiten, wie zum Beispiel Wäsche waschen können
  • die Fähigkeit, nahe und gleichberechtigte Beziehungen eingehen und halten zu können
  • eigene Ziele entwickeln und verfolgen zu können
  • die Kompetenz zur ökonomisch-beruflichen Existenzsicherung
  • Fähigkeit, in kritischen Situationen verantwortliche Entscheidungen zu treffen[2]

Konflikte rund um das Thema Verselbständigung, treten nicht nur in Pflegeverhältnissen, sondern in der Mehrzahl der Familien auf. Zwischen Pflegekindern und Pflegeeltern bekommen diese Konflikte jedoch häufig eine besondere Brisanz. Das rührt u.a. daher, dass die Beziehung, wenn sie nicht die gleiche Stabilität hat, wie die Beziehung zwischen Kindern und ihren leiblichen Eltern, in dieser Zeit vermehrt in Frage gestellt wird. Es kann auf Seiten des Pflegekindes zu Ängsten und Distanzierungen kommen, die unbewusst einer Zurückweisung zuvorkommen sollen. Zum Prozess der Verselbständigung gehört auch, Fragen der eigenen Identität zu klären und unterschiedliche Lebensentwürfe zu erkunden. Hierfür bietet die Herkunftsfamilie oftmals zahlreiche Unterschiede zu dem Lebensentwurf der Pflegefamilie, sodass auch hier Abgrenzungsbestrebungen des Pflegekindes gegenüber den Pflegeeltern auftreten können.

Außerdem haben es Pflegekinder schwer, die Lebensentwürfe ihrer Pflegeeltern zu übernehmen. Hierzu trägt bei, dass sie meist nicht so hohe Bildungskarrieren wie ihre Pflegeeltern durchlaufen. Auch hier kann es eine kränkende Herausforderung sein, mit den eigenen Umständen einen ganz eigenen Weg zu finden.[3]  Pflegeeltern können den Prozess der Verselbständigung Ihres Pflegekindes unterstützen, indem sie folgendes Verhalten zeigen:

  • Ein hohes Maß an gemeinsamer Kommunikation
  • Klare, aber nicht überzogene Verhaltenserwartungen an den oder die Jugendliche*n
  • Weder autoritär noch kumpelhaft auftreten
  • Bemühen, Ängste und Provokationen des Pflegekindes zu verstehen und einzuordnen
  • Den Blick bilanzierend auf das Bleibende lenken und an die aktiven Entscheidungen der Pflegeeltern für das Pflegekind erinnern[3]

 

[1] Kindler, Heinz; Küfner, Marion; Thrum, Kathrin; Gabler, Sandra (2010): Rückführung und Verselbstständigung. In: Kindler, Heinz; Helming, Elisabeth; Meysen, Thomas; Jurczyk, Karin (Hrsg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V., S. 615-665. S. 651.

[2] Ebd. S. 657f

[3] Ebd. S. 658f.