Sowohl Adipositas als auch Magersucht oder Bulimie, die sogenannte Ess-Brech-Sucht können Essstörungen sein, die bei Jungen und Mädchen auftreten. Häufig beginnen solche Störungen mit Beginn der Pubertät, manchmal aber auch schon im Kindergartenalter, wie es bei Adipositas der Fall ist.[1] Bei einem Fünftel der Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren finden sich Hinweise auf ein gestörtes Essverhalten, wobei Mädchen fast doppelt so häufig betroffen sind wie Jungen.[2]
Der gute Grund, Essen zu verstecken
Nicht nur Kinder, die grundsätzlich an Übergewicht leiden, können Essen verstecken, sondern auch solche, die als kleines Kind die Erfahrung machen mussten, nie genug zu bekommen oder übersehen zu werden. Das kann in Pflegefamilien beispielsweise dazu führen, dass Kinder in der Küche den Mülleimer plündern, nachts in die Küche oder an den Vorratsschrank gehen oder sogar Nudeln im Kopfkissenbezug versteckten. Insbesondere Kinder von Eltern, die ihr Geld zum Beispiel lieber für Alkohol als für Nahrungsmittel ausgegeben haben und nicht ausreichend für die Grundbedürfnisse des Kindes gesorgt haben, können auch später noch das Gefühl haben, für sich selbst sorgen und für Zeiten des Mangels Vorräte anlegen zu müssen.
Wenn Sie als Pflegeeltern ein solches Verhalten bei Ihrem Kind bemerken, wissen Sie jetzt, dass es dafür einen sehr guten und nachvollziehbaren Grund geben kann. Das Kind braucht vor allem Zeit, um Vertrauen aufzubauen und wirklich sicher sein zu können, dass es immer gut versorgt ist. Sie können das Kind in einem Moment, in dem Sie es beim Verstecken oder Essen beobachten, liebevoll ansprechen und ihm signalisieren, dass Sie seinen guten Grund und seine Sorge verstanden haben. Kleineren Kindern kann die Metapher des Eichhörnchens helfen – auch diese Tiere legen Vorräte für schlechte Zeiten an. Das ist klug und gleichzeitig darf das Kind lernen, dass es das in seiner neuen Familie nicht mehr tun muss.[3]
[1] Vgl. Brisch, Karl Heinz (2019): Pubertät. Bindungspsychotherapie – Bindungsbasierte Beratung und Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 16
[2] Vgl. Robert Koch-Institut (Hrsg.), Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (2008): Erkennen – Bewerten – Handeln: Zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Berlin: RKI. URL: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Kiggs/Basiserhebung/GPA_Daten/Essverhalten.pdf?__blob=publicationFile – :~:text=Die%20betroffenen%20Jungen%20und%20M%C3%A4dchen,%2DBrechsucht%20(Bulimie)%20leiden. (zuletzt aufgerufen am 18.7.2023), S. 51.
[3] Vgl. Hardenberg, Oliver; Stotz, Imke; Rodríguez, Ana (2022): Wir haben gute Gründe!: Illustrierte Geschichten für Pflegekinder, ihre Pflegeeltern und Fachkräfte. Mit umfangreichen Erläuterungen aus der Praxis des Pflegekinderwesens. Idstein: Schulz-Kirchner Verlag GmbH, S. 13f.