Die Bewältigung eines kritischen Lebensereignisses bezieht sich auf spezifische Entwicklungsaufgaben, die durch die Belastung auftauchen und gemeistert werden müssen. So auch im Falle einer Inpflegegabe. Hierzu gehören:
- Einleben in eine neue Familienkultur: Hierzu gehört das Kennenlernen von Ritualen, Abläufen und Regeln in der Pflegefamilie, wie Konflikte gelöst werden und welche Rollenverteilung es gibt.
- Aufbau einer Beziehung zu den Pflegeeltern: Pflegeeltern ist es oftmals ein besonderes Anliegen, dass das Pflegekind schnell eine gute Beziehung zu ihnen und neuen Geschwistern aufbaut. Aufgrund ihrer bisherigen herausfordernden Bindungserfahrungen haben es viele Pflegekinder schwer, sich auf tiefere Beziehungen einzulassen.
- Auseinandersetzung mit der Herkunftsfamilie: Die Tatsache, zwei Familien zu haben, spielt nicht nur im Zusammenhang mit Fragen zum Umgang eine Rolle, sondern auch mit Hinblick auf die Identitätsentwicklung. Auch wenn nie eine wirkliche Beziehung zu den leiblichen Eltern aufgebaut wurde, bleiben sie Teil der Biographie des Pflegekindes.
- Beziehungsgestaltung zu zwei Familien: Für viele Pflegekinder kann es herausfordernd sein, den Kontakt sowohl zur Herkunftsfamilie als auch zur Pflegefamilie zu gestalten. Je nachdem, wie die Ausgangssituation ist (z. B. Verwandtenpflege oder kein bisheriger Kontakt zwischen beiden Familien) können die Herausforderungen unterschiedlich ausfallen.
- Umgang mit Loyalitätskonflikten: Loyalitätskonflikte ergeben sich häufig durch das Aufwachsen in zwei Familien. Sie können sich z. B. auf die Pflegemutter und die leibliche Mutter beziehen oder auch auf die leibliche Mutter und den leiblichen Vater, falls die Herkunftseltern getrennt leben und einen unterschiedlichen Umgang mit dem Kind pflegen.
- Zufriedenheit mit der Pflegekindsituation: Pflegekindzufriedenheit, also die Zufriedenheit damit, ein Pflegekind zu sein, gehört zu den wichtigsten Entwicklungsaufgaben und ist oftmals die Basis dafür, dass auch allgemeine lebensphasenspezifische Entwicklungsaufgaben gemeistert werden können.
- Annahme des Pflegekindstatus: Der Status als Pflegekind muss angenommen und verarbeitet werden. Dazu gehört z. B., zwei Familien zu haben oder nicht den Namen der Familie zu tragen, in der das Pflegekind lebt.
- Aufrechterhalten der eigenen Normalitätsbalance: Das bedeutet, dass Pflegekinder lernen, mit ihrer Normalität bzw. ebenso den vielen „unnormalen“ Aspekten, die ihr Leben als Pflegekind mit sich bringt, umzugehen (z. B. eine andere Hautfarbe zu haben, als die Pflegeeltern oder als Pflegekind adressiert zu werden).[1]
[1] Werner, Karin (2019): Leben als Pflegekind. Die Perspektive jugendlicher Pflegekinder auf ihre Lebenssituation. Weinheim, Basel: Belz Juventa. S. 119-122.