Man unterscheidet zwischen traumatogenen Faktoren, also solchen, die die Entstehung eines Traumas begünstigen und solchen, die schützende Wirkung in einer grundsätzlich traumatischen Situation haben.

Traumatogene Faktoren:

  • Zugehörigkeit zu Randgruppen
  • Vernachlässigung
  • Chronische Krankheiten der Eltern
  • Fehlende soziale Kontrolle

Schützende Faktoren:

  • Gute Beziehung zu einer Betreuungsperson
  • Weitere stabile Beziehungen
  • Soziale Förderung
  • Primär sicheres Bindungsverhalten[1]

Traumatogene Faktoren bei Pflegekindern

Die allgemeinen traumatogenen Faktoren, also solche, die ein Trauma begünstigen, führen auch in der Allgemeinbevölkerung zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für psychische Störungen. Darüber hinaus können Pflegekinder jedoch durch die Fremdunterbringung weiteren negativen Einflussfaktoren ausgesetzt sein, die die Ausbildung psychischer Auffälligkeiten begünstigen. Hierzu zählen zum Beispiel die Unsicherheit, wie lange das Kind in der Familie bleibt oder ein sehr junges Alter von weniger als sieben Monaten beim Eintritt in die Pflegefamilie.[2]

Einer Studie zufolge waren 68 von 74 befragten Pflegekinder direkt oder indirekt traumatischen Stressoren ausgesetzt. Hierzu zählen zum Beispiel Erfahrungen körperlicher und sexualisierter Gewalt oder der Tod einer nahestehenden Person. In der Stichprobe liegt die Gefahr für Pflegekinder, einem Trauma ausgesetzt zu sein, dementsprechend bei rund 92%.[3]

Gefahr erneuter Gewalterfahrung

Studien haben sich zudem mit der Gefahr erneuter Gewalterfahrungen von Pflegekindern beschäftigt. Neuere Studien zeigten, dass die Unterbringung von Kindern in Pflegefamilien nicht vor einer erneuten Gewalterfahrung schützt. Die Mehrheit der Kinder, die in Pflegefamilien leben, zeigen weiterhin ein erhöhtes Risiko für sexuellen Missbrauch, Gewalt in der Peergroup und andere Formen der Viktimisierung.

Diese reichen von alltäglichen Erfahrungen sozialer Ausgrenzung, über verbale oder Angriffe durch Gleichaltrige oder Geschwister bis hin zu körperlichen oder sexuellen Misshandlungen durch erwachsene Bezugspersonen oder Gleichaltrige. Eine jüngere Studie zeigte, dass im Vergleich insbesondere die Erfahrungen, im Miteinander mit Gleichaltrigen in der Opferrolle zu sein, zu einem höheren Risiko für psychische Erkrankungen führt als frühe Misshandlungen.[4]

Retraumatisierung in Pflegefamilien

Kinder, die zu ihrem Wohl aus ihrer Herkunftsfamilie genommen und in eine Pflegefamilie gegeben werden, sind dort, Studien zufolge, nicht immer vor erneuten Übergriffen, Gewalterfahrungen und Missbrauch geschützt. Die hier angeführte Studie stammt zwar schon aus den 80er Jahren, thematisiert jedoch sehr interessante Aspekte.

Obwohl Pflegefamilien in der Regel mehr als bemüht sind, traumatisierte Pflegekinder vor einer erneuten Traumatisierung zu schützen, kann es auch in diesen Familien zu Situationen kommen, die traumatisierende oder retraumatisierende Auswirkungen haben. Insbesondere bei Pflegeeltern, die über viel Erfahrung verfügen, ist die Gefahr für Pflegekinder, traumatisiert zu werden, besonders hoch. Das hat unterschiedliche Gründe:

  • Erfahrenen Pflegeeltern werden häufig schwierigere Kinder gegeben
  • Die Gefahr von Burnout ist besonders hoch
  • Die Hemmschwelle, Hilfe anzufordern, wächst mit der Erfahrung der Pflegeeltern
  • Erfahrene Pflegeeltern betreuen häufig eine größere Anzahl an Pflegekindern

Auch vor diesem Hintergrund möchten wir Sie ermutigen, sich auch als erfahrene Pflegeeltern Unterstützung bei Ihrer Beraterin oder Ihrem Berater vom Jugendamt oder in Ihrem Netzwerk zu holen.[5]

[1] Winkelmann, Klaus (2009): Posttraumatische und akute Belastungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. In: Hopf, Hans; Windaus, Eberhard (Hrsg.): Lehrbuch der Psychotherapie für die Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und für die ärztliche Weiterbildung. Band 5: Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. München: CIP Medien, S. 444.

[2] Vasileva, Mira; Fegert, Jörg M.; Petermann, Franz (2015): Posttraumatische Belastungsstörungen bei Kindern in der Heimerziehung und in Pflegeverhältnissen. In: Nervenheilkunde 1–2/201. Schattauer: Stuttgart, S. 35.

[3] Arnold, Josephine (2010): Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung bei Pflegekindern: Psychische Belastung, posttraumatische Symptomatik und kindliche Verhaltensauffälligkeiten Inaugural – Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, S. 157.

[4] Konrad, Kerstin; Lohaus, Arnold; Heinrichs, Nina (2018): Pflegekinder: Welche Unterstützung brauchen sie? – Perspektiven für weitergehende Forschung. In: Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 46 (4). Hogrefe Verlag: Göttingen, S. 277.

[5] Oswald, Sylvia H.; Goldbeck, Lutz (2009): Traumatisierung und psychische Auffälligkeiten bei Pflegekindern. In: Trauma & Gewalt, 3. Jahrgang, Heft 4/2009. J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH: Stuttgart, S. 310f.