Wenn sich Menschen dazu entscheiden, ein Kind zur Pflege aufzunehmen, tun sie dies in aller Regel mit Blick auf das Kind, das bei ihnen leben wird. Die Familie, aus der das Kind kommt und der Kontakt zu dieser, wird hingegen in der Regel nicht bewusst gewählt. Aus diesem Grund ist es seit einigen Jahren gängige Praxis, die zukünftigen Pflegeeltern im Rahmen des Anerkennungsverfahrens auch auf die Bedeutung der Kooperation zwischen Pflegeeltern und Eltern für das Gelingen des Pflegeverhältnisses hinzuweisen. Man kann zwei Selbstverständnisse unterscheiden, wie sich Pflegeeltern empfinden können. Manche von ihnen verstehen sich eher als Papa/Mama, andere eher als Betreuer/Betreuerin. Letzteren fällt es häufig leichter, mit den Herkunftseltern zu kooperieren.[1]

Grundsätzlich kann man verschiedene Varianten des Zusammenspiels von Eltern und Pflegeeltern unterscheiden:

  • Hochspannungs-Konkurrenz-Beziehung
  • Pflegefamilienzentrierte Variante
  • Herkunftsfamilienzentrierte Variante
  • Offene Zwei-Haushalt-Variante[2]

Ein ähnliches Modell sind die in Deutschland gängigen Pflegefamilienkonzepte „Ersatzfamilie“ und „Ergänzungsfamilie“. Das Ersatzfamilienkonzept ähnelt der hier beschriebenen Hochspannungs-Konkurrenz-Beziehung und der Pflegefamilienzentrierten Variante. Das Ergänzungsfamilienkonzept erinnert an die Herkunftsfamilienzentrierte Variante. Das neuere Pflegefamilienkonzept „Familie eigener Art“ gleicht der Offene Zweihaushalte-Variante.[3]

Studien konnten zeigen, dass Kinder zu mehreren Personen intensive Bindungen aufbauen können. Bei einer guten Kooperation zwischen Herkunftseltern und Pflegeeltern entsteht für das Kind also ein Bindungsnetzwerk. Wie stabil dieses ist, hängt von der Beziehungsgestaltung zwischen den Bindungspersonen ab. Kommt es zwischen den Bindungspersonen vermehrt zu Spannung, kann sich das Pflegekind emotional unsicher und desorientiert fühlen. Eine gute Beziehung hingegen, baut Loyalitätskonflikte ab und wirkt entlastend auf das Kind.[4]

FOLGEN GELINGENDER ZUSAMMENARBEIT

Empirischen Studien zufolge hat die Zusammenarbeit zwischen Herkunftseltern und Pflegefamilie unmittelbare Auswirkung auf die psychische Belastbarkeit und Selbstsicherheit des Pflegekindes. Sie zeigen außerdem, dass eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Herkunfts- und Pflegefamilie die Entwicklungschancen der Kinder deutlich erhöht. Das gilt unabhängig davon, wo die Personensorge für das Kind liegt. Es ist empirisch belegt, dass die gelingende Zusammenarbeit zwischen Herkunftseltern und Pflegeeltern das Kind insbesondere in der kritischen Phase der Pubertät und in der Identitätsfindung unterstützt. Je geringer die Loyalitätskonflikte, desto leichter kann sich ein Kind zwischen seinen Wurzeln in der Herkunftsfamilie und den Prägungen und Erwartungen der Pflegefamilie positionieren und seinen eigenen Weg finden.

Pflegekinder, deren Herkunfts- und Pflegeeltern nicht oder nur schwer miteinander kooperieren, fühlen sich häufig zwischen zwei Familien und erleben einen Mangel an Zugehörigkeit. Einer Studie zufolge zeigen Kinder, die eine hohe Zugehörigkeit zur Pflegefamilie und zu ihrer Herkunftsfamilie empfinden, die geringsten Belastungen im Sinne einer klinischen Auffälligkeit.[5] Aus Sicht der Kinder konkretisiert sich die Zusammenarbeit zwischen Herkunftseltern und Pflegeeltern im Rahmen der Umgangskontakte.[6]

 

[1] Dittmann, Andrea; Schäfer, Dirk (2019): Zusammenarbeit mit Eltern in der Pflegekinderhilfe. Zum Anspruch auf Beratung und Unterstützung. Frankfurt am Main: Dialogforum Pflegekinderhilfe, S. 22f.

[2] Ebd., S. 24f.

[3] Ebd., S. 28.

[4] Gehres, Walter (2016): Als-Ob-Sozialisation?Perspektiven auf die familiensoziologische Identitätsbildung bei Pflegekindern. Würzburg: Ergon-Verlag GmbH, S. 65- 69.

[5] Dittmann, Andrea; Schäfer, Dirk (2019): Zusammenarbeit mit Eltern in der Pflegekinderhilfe. Zum Anspruch auf Beratung und Unterstützung. Frankfurt am Main: Dialogforum Pflegekinderhilfe, S. 28-32.

[6] Ebd., S. 32.