Unterschiedlichste internationale Untersuchungen zu Umgangskontakten stellen immer wieder heraus, dass es sich um Einzelfallentscheidungen handeln muss, ob und in welcher Form Umgangskontakte stattfinden. Grundsätzlich sind die Folgen von Umgangskontakten für die Beteiligten insbesondere dann positiv zu bewerten, wenn das Pflegeverhältnis strukturell offen ist, die Pflegeeltern offen und die Herkunftseltern kooperativ sind. Umgangskontakte führen allen Beteiligten die ungewöhnliche und spannungsreiche Situation, in der sie sich befinden, vor Augen. Dennoch bestehen interessante Wechselwirkungen zwischen der Einbettung der Pflegefamilie in ein soziales Umfeld (z. B. Kontakte zu Nachbarn, Freunden, anderen Familienangehörigen) und deren Bewältigung von Besuchskontakten. Je mehr die Pflegefamilie sozial eingebettet und dadurch im sozialen Kontakt flexibler ist, desto leichter fallen ihnen Besuchskontakte.

Auffällig ist, dass es sich bei Besuchskontakten hauptsächlich um die leiblichen Mütter der Kinder handelt. Väter werden in der Pflegekinderhilfe im Allgemeinen und auch bei Besuchskontakten oftmals vergessen, auch dann, wenn der leibliche Vater eine wichtige Rolle für das Pflegekind spielt.

WAS UMGANGSKONTAKTE GELINGEN LÄSST

Dazu, was Umgangskontakte gelingen lässt, konnten wissenschaftlich einige wesentliche Einflussfaktoren ermittelt werden. Auf Seiten der Herkunftseltern kommt es darauf an, ob sie die Fähigkeit haben, die Umgangskontakte regelmäßig wahrzunehmen und kindgemäß zu gestalten. Zugleich braucht es die Fähigkeit der Pflegeeltern, die Umgangskontakte angemessen zu unterstützen. Entscheidende Faktoren für die Ausgestaltung der Umgangskontakte sind die Bewältigungsfähigkeiten des Kindes im Hinblick auf Belastungen, die im Zusammenhang mit Umgangskontakten stehen und auch der Wille des Kindes. Und schließlich sind alle Erwachsenen, Pflegeeltern, Herkunftseltern und die Fachkräfte der Jugendhilfe gefragt, Konflikte und Spannungen zwischen Pflege- und Herkunftsfamilie zu begrenzen.[1]

Aus Sicht der betroffenen Pflegekinder ist es zentral, ob ihr Wunsch, keinen Kontakt zu haben oder aber Kontakt zu haben, durch alle Erwachsenen berücksichtigt wird. Sie benötigen Unterstützung in konkreten Situationen des Umgangs, aber auch dann, wenn über längere Zeit kein Umgang stattfindet, vor allem durch die Pflegeeltern und Personen des professionellen Hilfesystems. Für die meisten Kinder ist es von Vorteil, wenn die Umgangskontakte vorhersehbar und erwartbar sind und an einem ruhigen, neutralen Ort stattfinden. Für andere Pflegekinder ist es hingegen eine Hilfe, wenn das Treffen an einem öffentlichen Ort stattfindet, und dadurch der Fokus auf die einzelnen Akteure reduziert ist oder keine unangenehme Stille entsteht.[2]

UMGANGSKONTAKTE UND TRAUMATISIERUNG

Studien konnten zeigen, dass auch Pflegekinder, die Gefährdungen in der Herkunftsfamilie erlebt haben, nach Inpflegegabe nicht in jedem Fall eine stärkere Problembelastung durch die Umgangskontakte erfahren. Dennoch kann es im konkreten Fall zu stärkeren Belastungen und Irritationen nach einem Umgangskontakt kommen. Um die beschriebene Dynamik und die Gefahr von Retraumatisierungen zu vermeiden, sprechen sich einige Psycholog*innen gegen Besuchskontakte von traumatisierten Kindern aus. Auch Studien belegen, dass Pflegeverhältnisse bei traumatisierten Jugendlichen häufiger abgebrochen werden, wenn weiterhin Besuchskontakte bestehen. Da diese nach einem Wechsel in eine neue Pflegefamilie oder Wohngruppe fortgeführt werden, löst sich die Problematik nicht auf.[3]

KONTAKTPAUSE

Allein die Tatsache, dass über längere Zeit kein Kontakt zum Herkunftssystem besteht, heißt noch nicht, dass keine Auseinandersetzung damit stattfindet. Insbesondere in der Pubertät führt fehlendes Wissen über die leiblichen Eltern bei Pflegekindern dazu, dass sich Phantasien entwickeln.  Belastungen entstehen häufig durch fehlende Informationen, z. B. Gründe für die Fremdunterbringung aus Sicht der Herkunftsfamilie oder die offene Frage, inwiefern körperliche Ähnlichkeiten bestehen.  Eine klare Perspektive und eine stabile Beziehung zu den Pflegeeltern gehören zu den wichtigsten Ressourcen, damit ein Kind in den Kontakt mit den leiblichen Eltern gehen kann.[4]

UMGANGSKONTAKTE UND HERKUNFTSELTERN

Aus Sicht der leiblichen Eltern sind insbesondere nach der Trennung die ersten Wiedersehenstreffen mit den Kindern bzw. dem Kind eine Konfrontation mit intensiven Gefühlen der eigenen »Schuld«, dem Versagen, der Scham, der Trauer und der Unsicherheit. Manchmal ist es für Fachkräfte und Pflegeeltern schwer wahrzunehmen, dass die emotionale Krise solcher Eltern genauso dramatisch ist wie die anderer Menschen, die einen gravierenden Verlust erlitten haben. Auch wenn die Eltern teilweise sogar selbst verantwortlich für die Fremdunterbringung ihrer Kinder sind.[5]

Herkunftseltern fühlen sich akzeptiert und beteiligt, wenn die Pflegeeltern ohne Vorwurf mit ihnen sprechen und von den Kindern erzählen. Viele von ihnen bewundern die Fähigkeit von Pflegeeltern, herzlich und gleichzeitig konsequent mit dem Kind umzugehen. Herkunftseltern können die Pflegeeltern umso leichter anerkennen, je weniger Vorwurf diese ihnen entgegenbringen. Die Wahrnehmung, dass es dem Kind in der Pflegefamilie gut geht, erleichtert den Herkunftseltern die Trennung in hohem Maß.[6]

[1] Küfner, Marion; Helming, Elisabeth; Kindler, Heinz (2010): Umgangskontakte und die Gestaltung von Beziehungen zur Herkunftsfamilie. In: Kindler, Heinz; Helming, Elisabeth; Meysen, Thomas; Jurczyk, Karin (Hrsg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V. S. 562-613, S. 599.

[2] Pierlings, Judith; Reimer, Daniela (2015): Belastungen und Ressourcen im Kontext von Besuchskontakten. In: Wolf, Klaus (Hrsg.): Sozialpädagogische Pflegekinderforschung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. S. 245-266, , S. 352f.

[3] Küfner, Marion; Helming, Elisabeth; Kindler, Heinz (2010): Umgangskontakte und die Gestaltung von Beziehungen zur Herkunftsfamilie. In: Kindler, Heinz; Helming, Elisabeth; Meysen, Thomas; Jurczyk, Karin (Hrsg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V. S. 562-613, S. 572.

[4] Pierlings, Judith; Reimer, Daniela (2015): Belastungen und Ressourcen im Kontext von Besuchskontakten. In: Wolf, Klaus (Hrsg.): Sozialpädagogische Pflegekinderforschung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. S. 245-266, S. 253ff.

[5] Küfner, Marion; Helming, Elisabeth; Kindler, Heinz (2010): Umgangskontakte und die Gestaltung von Beziehungen zur Herkunftsfamilie. In: Kindler, Heinz; Helming, Elisabeth; Meysen, Thomas; Jurczyk, Karin (Hrsg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V. S. 562-613, S. 589-592.

[6] Ebd., S. 591f.