Der Umgang bezieht sich nicht nur auf den direkten Kontakt, sondern auch auf den Austausch von Briefen, Mails und telefonischen Kontakt. Dies alles soll sowohl zu den Herkunftseltern, sondern auch zu weiteren nahestehenden Personen, wie z.B. Geschwistern oder Großeltern möglich sein. Die Häufigkeit, Dauer und Form der Kontakte wird insbesondere bei jüngeren Kindern im Hilfeplangespräch mit allen an der Hilfe beteiligten Personen besprochen und für die Dauer bis zum nächsten Hilfeplangespräch im Rahmen der Zielvereinbarung festgelegt.[1]

Umgang muss nicht um jeden Preis stattfinden: Insbesondere bei sexualisierter Gewalt durch die Herkunftsfamilie oder wenn andere traumatische Erfahrungen stattgefunden haben, kann ein Umgangskontakt mit den leiblichen Eltern eine zu große Belastung sein. Hierüber entscheidet das Familiengericht.[2]  Laut einer Untersuchung mit 131 Pflegekindern im Jahr 2016 hatten 57% der Kinder in den zum damaligen Zeitpunkt letzten sechs Monaten keinen Umgangskontakt mit ihren leiblichen Eltern. 10% der befragten Kinder sahen ihre leiblichen Eltern etwa einmal im Monat.[3]

GRÜNDE FÜR UMGANGSKONTAKTE

Zusammenfassend gibt es einige wichtige Gründe für Umgangskontakte, die von der Forschung bestätigt werden:

  • Verleugnung und Vermeidung der Herkunftsfamilie verhindern
  • das Wiedererleben von Trennungsgefühlen auf einer Ebene ermöglichen, die zu bewältigen ist
  • die Gelegenheit bieten, Gefühle zu verarbeiten
  • Anlass geben, gemeinsam ins Gespräch zu kommen, z.B. auch über die Gründe für die Trennung
  • die Identitätsfindung unterstützen
  • Bindungstransfer fortsetzen, insbesondere dann, wenn die Herkunftsfamilie die Pflegefamilie anerkennt
  • Loyalitätsprobleme verringern
  • unrealistische Fantasien des Kindes über seine Herkunftsfamilie reduzieren[4]

Der Kontakt mit den leiblichen Eltern kann für ältere Pflegekinder, die sich im Übergang zum Erwachsenenleben befinden, sehr wichtig sein. Die Jugendlichen können eine Phase erleben, in der sie zwischen der Lebenssituation der Pflegefamilie und jener der Herkunftsfamilie hin und her springen. Das wird auch als Jojo-Übergang bezeichnet und ist wichtiger Teil der Identitätsbildung.[5]

UMGANG JA, ABER WO?

Umgangskontakte können an ganz unterschiedlichen Orten stattfinden, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben:

In der Wohnung der Pflegeeltern: Die Besuchskontakte in der Wohnung der Pflegeeltern wird sehr unterschiedlich wahrgenommen. Manchen Pflegeelter ist das zu dicht und sie möchten die Privatsphäre erhalten, weshalb sie dieses Modell ablehnen. Für andere ist es kein Problem, vor allem, wenn die leiblichen Eltern der Inpflegegabe wirklich zustimmen. Für machen Herkunftseltern ist es herausfordernd, in die oftmals besser situierte Wohnsituation der Pflegeeltern zu kommen.

Im Jugendamt: Nicht in jedem Jugendamt steht ein geeigneter kindgerechter Rum für den Umgangskontakt zur Verfügung. Für das Kind ist es eine an sich schon fremde Situation und auch die Erwachsenen fühlen sich häufig gleichermaßen auf unterschiedliche Weise befangen.

Ein Umgang ist grundsätzlich auch im privaten Umfeld der Herkunftseltern möglich, sofern der Schutz des Kindes gewährleistet ist. Insbesondere jugendlichen Pflegekindern werden Umgangskontakte in der Wohnung der Herkunftseltern zugetraut. Die meisten Umgangskontakte finden im kindgerechten öffentlichen Raum statt, auf Spielplätzen, im Zoo oder in Schwimmbädern.[6]

HERAUSFORDERUNGEN BEI UMGANGSKONTAKTEN

Insbesondere bei dem direkten Zusammentreffen von Herkunftseltern und Pflegeeltern spielen Vorannahmen und Bewertungen eine große Rolle und können sich mitunter negativ auf die Beziehungsgestaltung auswirken. Es ist wahrscheinlich, dass alle Personen vor dem Hintergrund Ihrer persönlichen Situation und Erfahrung mit der Herkunftsfamilie und den Umgangskontakten des Pflegekindes auf die Szenen schauen. Umso wichtiger ist es, immer wieder neue und andere Perspektiven einzunehmen, sich zu fragen, wie die Situation noch bewertet werden könnte und welche Auswirkung das auf die Zusammenarbeit und die Entwicklung des Pflegekindes hat.[7]

Auch Pflegekinder können die Umgangskontakte als Belastung empfinden. Besondere Belastungen für Pflegekinder sind laut einer Studie:

  • Das Erleben, auf das grundsätzliche Stattfinden des Kontaktes und dessen Gestaltung keinen Einfluss zu haben.
  • Empfinden von Kontrollverlust, Ausgeliefertsein und Schutzlosigkeit
  • Körperliche und psychische Reaktionen im Vorfeld und bei negativen Erfahrungen während des Umgangs im Nachhinein
  • Unpassendes Auftreten der Herkunftseltern, z.B. wenn diese unrealistische Ideen bezüglich einer gemeinsamen Zukunftsplanung äußern oder eine unpassende körperliche Nähe einfordern
  • Enttäuschte Hoffnungen, Antworten auf Fragen zu den Hintergründen der Herkunftseltern und der Situation zu bekommen
  • Empfinden von Ablehnung oder Fremdheit den Herkunftseltern gegenüber, was zu der Vorstellung von „richtigen“ Eltern im Kontrast steht[8]

SORGEN VON PFLEGEELTERN

Viele Pflegeeltern finden die Auseinandersetzung mit dem Thema Herkunft als Herausforderung, ganz unabhängig davon, ob Umgangskontakte stattfinden oder nicht. Das hat auch damit zu tun, dass sie durch den Kontakt zu den leiblichen Eltern daran erinnert werden, dass das Kind nicht ihr eigenes ist. Die Anspannung während der Umgangskontakte kann groß sein. Es entsteht mitunter das Gefühl, beweisen zu müssen, dass man die bessere Mutter/ der bessere Vater ist. Das kann stressen und führt manchmal dazu, das Pflegeeltern Dinge zu sagen oder zu tun, die ihnen gar nicht entsprechen.[9]

 

[1] Küfner, Marion; Helming, Elisabeth; Kindler, Heinz (2010): Umgangskontakte und die Gestaltung von Beziehungen zur Herkunftsfamilie. In: Kindler, Heinz; Helming, Elisabeth; Meysen, Thomas; Jurczyk, Karin (Hrsg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V., S. 565.

[2] Ebd., S. 565.

[3] Wiesch, Stefan (2016): Wie geht es den Pflegekindern in Deutschland? Die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Pflegekindern unter besonderer Berücksichtigung potentieller Einflussfaktoren. Universität Siegen (Diss.)., S. 120.

[4] Küfner, Marion; Helming, Elisabeth; Kindler, Heinz (2010): Umgangskontakte und die Gestaltung von Beziehungen zur Herkunftsfamilie. In: Kindler, Heinz; Helming, Elisabeth; Meysen, Thomas; Jurczyk, Karin (Hrsg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V., S. 580.

[5] Langenohl, Sabrina; Pöckler-von Lingen, Judith; Schäfer, Dirk; Szylowicki, Alexandra (2017): Der Einbezug leiblicher Eltern in der Pflegekinderhilfe – Diskrepanz zwischen fachlicher Notwendigkeit und praktischer Umsetzung. Online verfügbar unter: https://www.dialogforum-pflegekinderhilfe.de/fileadmin/upLoads/projekte/Der_Einbezug_leiblicher_Eltern_in_der_Pflegekinderhilfe_%E2%80%93_Diskrepanz_zwischen_fachlicher_Notwendigkeit_und_praktischer_Umsetzung.pdf – (zuletzt aufgerufen am 29.7.2022), S. 27.

[6] Küfner, Marion; Helming, Elisabeth; Kindler, Heinz (2010): Umgangskontakte und die Gestaltung von Beziehungen zur Herkunftsfamilie. In: Kindler, Heinz; Helming, Elisabeth; Meysen, Thomas; Jurczyk, Karin (Hrsg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V. S. 562-613, S. 583f.

[7] Dreiner, Monika (2016): (Eltern)wohl und (Kindes)wehe bei Besuchskontakten: Auswirkungen der Umgangsregelungen auf die Entwicklungsförderung fremdplatzierter traumatisierter Kinder. In: Psychotherapie-Wissenschaft (2016) 1. Gießen: Psychosozial Verlag, S. 61-70.

[8] Pierlings, Judith; Reimer, Daniela (2015): Belastungen und Ressourcen im Kontext von Besuchskontakten. In: Wolf, Klaus (Hrsg.): Sozialpädagogische Pflegekinderforschung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. S. 245-266, S. 250ff.

[9] Ebd., S. 256ff.